Freude am Lehren

Freude am Lehren


Erika Döbel

Mein Vater flüchtete während des Zweiten Weltkriegs aus Ostpreußen und wurde daraufhin in Frankreich gefangen genommen. Das Rote Kreuz hatte zu diesem Zeitpunkt die Adressen der deutschen Gefangenen. Mit deren Hilfe nahm meine Mutter den Kontakt zu meinem Vater auf. Da mein Vater aufgrund des Krieges nicht die Möglichkeit hatte eine Ausbildung abzuschließen, war er vorerst als Bauer tätig. Später absolvierte er dann eine Ausbildung zum Krankenpfleger im Annastift in Hannover. Währenddessen blieb meine Mutter in Hessen und zog meine Geschwister und mich drei Jahre lang alleine groß. Dies war in dem Moment möglich, da sie finanzielle Unterstützung von der AWO erhielt.

Heute arbeite ich als Deutschlehrerin für Flüchtlinge bei der AWO und gebe die Unterstützung, die meine Eltern damals von der AWO erhalten haben, quasi wieder zurück. Ich lehre die Alphabetisierung in Gruppen von jeweils circa 16 Leuten. Momentan sind hauptsächlich Kurden in der Gruppe, mehr Frauen als Männer in unterschiedlichem Alter. Problematisch dabei ist, dass sie sich untereinander ausschließlich in Kurdisch unterhalten und nicht auf Deutsch. Das im Unterricht Gelernte wird also nicht immer umgesetzt. Die Motivation der Schüler ist sehr unterschiedlich. Manche sind sehr motiviert und erkennen ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt mit bestandenen Prüfungen, andere eher weniger. Eine junge Frau aus dem Irak beeindruckte mich sehr. Sie ist Mutter von zehn Kindern und hatte im Irak nicht die Möglichkeit, die Schule zu besuchen. Unter anderem lag es auch an den hohen Kosten, die für die Schule gezahlt werden mussten, welche sich ihr Vater nicht leisten konnte. In Deutschland hat sie dann sehr schnell Deutsch gelernt. Für sie selbst ist es eine Sensation, dass sie noch die Möglichkeit hat, etwas lernen zu dürfen. Dabei fasziniert es mich, mit wie viel Einsatz und Freude sie sich am Unterricht beteiligt. Ich bin froh darüber, dass in Deutschland jeder die Freiheit besitzt, lernen zu dürfen. Damit ermöglichen wir unseren Schülern ganz neue Wege für ihre Zukunft.