
„Hier ist mein Platz“

„Da sitzt immer Frau Meyer!“: Diesen Satz, mit dem einen oder anderen Namen, höre ich oft in Gruppen, wenn es darum geht, auf welchen Platz sich eine neue Person setzen könnte. Es scheint etwas sehr tief in den Menschen verankert zu sein, feste Plätze haben zu wollen. Vielleicht bei den Deutschen besonders – das Handtuch des deutschen Urlaubers auf der leeren Sonnenliege ist ja schon fast sprichwörtlich. Über dieses Verhalten kann man sich gut aufregen oder lustig machen. Oder drüber nachdenken…
Zu den Sitzordnungen in den Seniorenclubs hat mir einmal eine ehemalige Gruppenleitung gesagt: „Ich finde die festen Sitzplätze gut! Dann fällt mir und den anderen Mitgliedern der Gruppe gleich auf, wenn jemand fehlt.“
Die eine Erkenntnis daraus ist nicht wirklich neu: Alles hat zwei Seiten. Zusätzlich aber ist mir durch diese Aussage deutlich geworden, welche Bedeutung die Gruppen der AWO für die Teilnehmenden haben (können). Für viele Seniorinnen und Senioren bedeutet der wöchentliche Besuch im Club sicherlich auch ein Stück Zuhause und das Gefühl, in einer Umgebung zu sein, wo man gekannt wird. Wenn das Leben im Alter zunehmend eingeschränkt ist, die Familie vielleicht weit weg und Freunde nicht mehr da sind, ist es sicherlich sehr schön, den eigenen Platz bei den Treffen zu haben und vor allem von anderen erwartet zu werden. Wenn ich in den Seniorengruppen zu Besuch bin, fällt mir immer auf, wie gut die ehrenamtlichen Gruppenleitungen und die Besucherinnen und Besucher übereinander und voneinander wissen. Daraus kann ein Gefühl des Vertrautseins entstehen: „Hier werde ich gekannt, erwartet und vermisst, wenn ich nicht komme. Hier ist mein Platz.“
Wir haben in der AWO Seniorenarbeit viel Kontakt zu Seniorengruppen, die sich an verschiedenen Orten im ganzen Stadtgebiet treffen. Die Gruppen werden von Ehrenamtlichen geleitet, die mit tollem Engagement abwechslungsreiche Nachmittage gestalten. Viele Gruppen werden mit den Jahren kleiner, da die Besucherinnen und Besucher älter werden und irgendwann nicht mehr in die Begegnungsstätte kommen können. Neue sind deshalb jederzeit herzlich willkommen, um ihren eigenen festen Platz in der Gruppe zu finden.
Ich freue mich, dass die AWO mit ihren vielfältigen Angeboten Orte für Menschen schafft, an denen sie sich erwartet und gut aufgehoben fühlen. Handtücher auf Sonnenliegen betrachte ich allerdings nach wie vor mit Skepsis…