Ohne Kaffee geht nichts

Ohne Kaffee geht nichts

Klaus Pfeiffer

Ich hatte schon immer eine soziale Ader. Fast 20 Jahre habe ich das Jugendwohnen der AWO in der Fössestraße betreut, als Lehrer in Jugendwerkstätten gearbeitet und mich für andere eingesetzt. Die besten vier Jahre meiner sozialen Arbeit hatte ich von 1998 bis 2002 und einem Projekt der AWO zu verdanken.

Alles fing mit den Chaostagen an. Punker trafen sich in verschiedenen Städten und riefen zu Gewalt und Zerstörung auf. Die ersten Chaostage fanden 1983 in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover statt und richteten sich gegen eine geplante Punker-Kartei der Polizei. Bei den darauf jährlich folgenden Chaostagen kam es immer häufiger zu heftigen Ausschreitungen und Zusammenstößen mit der Polizei. Hannovers Bahnhof, der Kröpcke und die Nordstadt hatten sich zu beliebten Treffpunkten für Punker entwickelt. Häuser in der Heisenstraße wurden besetzt und die Unruhen nahmen zu.

Nach den Chaostagen 1995 und dem vorläufigen Ende des Projektes, begann 1998 ein Neustart in Stöcken. Durch ein Projekt, das sich speziell auf die Punker konzentrieren sollte, wollte die Stadt Hannover zusammen mit dem Arbeitsamt wieder Ruhe in die Nordstadt bringen. Hier komme ich ins Spiel. Drei Jahre nach den Chaostagen sollte ein altes Bauernhaus von 1687 in Stöcken den Punkern zur Nutzung überlassen werden. Die Punker sollten es renovieren und zugleich dort wohnen. Zuvor hatten dort Obdachlose gewohnt, denen von der Stadt zu Beginn des Projektes andere Wohnmöglichkeiten zur Verfügung gestellt wurden.

Bevor es jedoch losging, mussten die Punker erstmal einen Verein gründen. Das war eine harte Nuss. Punker und Verein; aber die Stadt Hannover brauchte Ansprechpartner. Mit der Zeit jedoch identifizierten sich die Punker immer mehr als Vereinsgemeinschaft.

Nachdem die vorherigen Bewohner umgezogen und alles Organisatorische geregelt war, konnten die Renovierungsarbeiten beginnen. Zusammen mit Gerd, Sozialpädagoge und ehemaliger Maurermeister, arbeitete ich mit den Punkern zusammen. Um die Sicherheit zu gewährleisten, planten Architekten und Statiker den groben Aus- und Umbau des Hauses. Gemeinsam mit Gerd setzten die Punker die Planung in die Praxis um. Dabei hatten sie beim Dachausbau auch Hilfe von Fremdfirmen. Für die Arbeiten wurden die Punker über die damaligen ABM-Maßnahmen bezahlt. Ich hingegen war hauptsächlich für das Soziale zuständig. Dabei koordinierte ich die Arbeit und fungierte als Ansprechpartner für die Jugendlichen. Mich konnten sie ansprechen, wenn es Probleme gab. So viele Probleme wie erwartet, gab es dann jedoch nicht. Sowohl Miete, als auch Strom und Wasser wurde immer pünktlich gezahlt. Alle integrierten sich in die Gemeinschaft. Die einst so verschlossenen Punker öffneten sich mit der Zeit immer mehr.

Wir haben zusammen gearbeitet, zusammen gegessen und gelacht. Meistens startete der Tag mit einem Frühstück. Gerd und ich kamen morgens durch die Tür und der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee lag  in der Luft. Kaffee und Quatschen stand immer auf der Tagesordnung.

Anfangs hatten die Punker jedoch Angst vor Rechten, aber diese Angst war völlig unbegründet. Es kamen sogar viele Nachbarn zum Grillfest vorbei. Die Renovierungen gingen voran und nach einiger Zeit stellte sich ein idyllisches Bild ein. Die Hunde der Punker spielten im Garten, während diese kochten. Sogar der Keller wurde genutzt und zum Musikraum ausgebaut; natürlich gut gedämmt. Was mich jedoch am meisten verwunderte war, dass die Punker, die nach außen hin so hart und abweisend wirkten, sehr höflich waren. Das waren die ersten Jugendlichen, die ich betreut habe, die regelmäßig bitte und danke sagten.

Das Projekt hat mir wirklich viel Spaß gemacht und die Erfahrungen prägen mich auch heute noch. Es ist wichtig, Menschen nicht sofort zu verurteilen, denn oft täuscht der erste Eindruck. Man sollte ihnen offen und angstfrei begegnen. Nur so können wir solidarisch und friedlich zusammen leben.